Schaumbürger

ein Foto-Projekt von von Britta Börke
Eröffnung am Sonntag, 15.08.2010 um 12:00 Uhr
Ausstellung vom 14.08.2010 bis 14.11.2010

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Eröffnungsrede von Britta Börke am 15.08.2010.

Die Schaumbürger

Vor einigen Monaten bin ich zufällig an einer bayrischen Trachtenkappelle vorbei gekommen, etwa 30 Leute, alle in Tracht und mit Instrument.
Sie hätten sofort losspielen können, wenn da nicht diese eine Besonderheit gewesen wäre: Sie alle hatten eine Größe von 2,6 cm und wenn sie lebten, dann nur in der Vorstellung ihrer Betrachter.

Nun ist nichts gegen bayrische Trachtenkappellen einzuwenden, um des Ausgleichs Willen dachte ich aber doch, dass es in dieser Miniaturwelt eines Schaumburger-Pendants bedürfe.
Die Männchen in dieser Größe waren mir vertraut, eine Schaumburger Tracht hatten sie bis dahin jedoch nie bekommen. Nun war es an der Zeit.

Seit einigen Monaten gibt es sie also, die Schaumbürger in der Lindhorster Tracht, der Tracht des Jahres 2010, zwei Damen und einen Herrn.
Da sie einmal da waren, bot es sich an, ihnen auch ihren Lebensraum näher zu bringen und sie mit besonderen und bedeutenden kulturellen Orten der Region vertraut zu machen.
Noch ehe sich ein Fürst Ernst zu Holstein-Schaumburg auf den Weg machen wird, sein Land zu bereisen und Geschichte und Gegenwart miteinander zu verbinden, fuhren wir gemeinsam durch Dörfer und Städte von Steinhude bis Steinbergen, an denen die Schaumbürger zum einen ihre kulturellen Wurzeln entdecken konnten, zum anderen aber auch Symbolen der Moderne begegneten.

Manches erschien ihnen sehr vertraut, manches war befremdlich, vor allem eins war es immer: groß.
Ich hatte meinen Fotoapparat dabei und habe die Perspektive, aus der die Schaumbürger die Welt betrachten, damit eingefangen. Sie werden überrascht sein, wie sehr sich ihre Sichtweise von unserer unterscheidet.
Die bekannten Orientierungspunkte greifen nicht mehr, Details werden zu zentralen Objekten im Bild. Der Betrachter ist aufgefordert, diese andere Perspektive aufzunehmen, anders und genauer hinzuschauen.
Sie werden die Möglichkeit haben, Ihre Ihnen so vertraute Welt mit anderen Augen zu sehen.

Kunst ist für mich im Wesentlichen auch ein Spiel. Ein Spiel mit Freude und Witz, das die Bekannten Seh- und Wahrnehmungsgewohnheiten hinterfragt, neue Perspektiven eröffnet und damit Rückwirkungen auf die eigene Persönlichkeit nicht ausschließt: verändere ich die Sichtweise, verändere ich mich, immer wieder und immer aufs Neue.

Diese Offenheit und Variationslust, diese Suche nach neuen Idee und Kombinationsmöglichkeiten verschiedener künstlerischer Ausdrucksweisen begleitet mich durch mein gesamtes künstlerisches Schaffen.
Während dieses zunächst allgemeiner Natur war und verschiedene Ausdrucksformen und Techniken umfasste, habe ich meine Auseinandersetzungen in den letzten Jahren intensiviert und fokussiert, besonders auf die Malerei. Um neue Impulse zu erhalten habe ich an einer Berliner Akademie studiert und dort Anregungen zur Verbindung von Malerei und Fotografie erhalten.

Die Ergebnisse meiner fotografischen Versuche finden Sie nun hier im Bruchhof ausgestellt.
Ich hoffe, dass sie Ihnen mit der gleichen Entdeckungslust und Neugier begegnen, mit der die drei kleinen Schaumbürger sich auf die Reise begeben haben.

Und wenn sie lange genug hinschauen und sich vorstellen, sie seien 2,6 cm groß und stünden in Bückeburg am Schlossgraben und vor ihnen ein Erpel…
Sie werden sie verstehen, die Schaumbürger, und sich vielleicht auch ein bisschen in ihnen wiederfinden.

Einige Freunde begleiten dieses Projekt schon seit seinem Beginn und ich habe den Eindruck, es hat sich ihnen der Gedanke einer kleinen Welt aufgetan, dem sie immer wieder gern folgen.
Neulich zum Beispiel parkte unerwartet ein kleiner weißer VW-Golf in genau der richtigen Schaumbürger-Größe vor unserer Garage. Ich weiß bis heute nicht, wer ihn dort hingestellt hat, aber so sind beste Voraussetzungen dafür geschaffen, dass die Reise weiter gehen kann.

Wir werden sehen.

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